Dienstag, 23. September 2008

Georgiens verzweifelter Blick in Richtung Europa

Georgien – das Land der Urchristen, das bereits im mittleren Paläolithikum von Menschen besiedelt wurde. Im 6. Jahrhundert v. Chr. entstand der westliche georgische Staat- Kolcheti, im 4. Jahrhundert der östliche- Iberien. Später unterwarfen die Assyrer, dann Alexander der Große das Land. Georgien erhob im Jahr 337 das Christentum zur Staatsreligion.
Seit Jahrhunderten versucht das kleine von Feinden umzingelte Kaukasusvölkchen die Gunst der Europäer zu gewinnen. Obwohl es eigentlich kein Anzeichen dafür gegeben hatte, dass auch die Gegenseite bereit wäre die Georgier gerne in die Arme zu nehmen, glaubte man trotzdem in Georgien, dass sie in Europa und für die Europäer willkommen seien. Trotz vielen Enttäuschungen wird in Georgien auch heute weiter gehofft.
Am Ende des 10. Jahrhunderts wurde Georgien im goldenen Zeitalter vereint. Die langjährige Abhängigkeit vom Byzantinischen Reich wurde abgeschüttelt. Unter David dem Erbauer und Königin Tamar wurde Georgien zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert die stärkste Macht in Transkaukasien. Es folgte eine mongolische Invasion unter Timur Lenk. Im 16. Jahrhundert zerfiel Georgien in die Königreiche Imeretien, Kachetien und Kartli sowie fünf Fürstentümer, die unter osmanischem und iranischem Einfluss standen.
Es ist bestimmt für viele heutigen Europäer ganz neu, dass die Georgier im Mittelalter die Kreuzzüge nicht nur aus religiösen, sondern auch aus politischen Gründen mitmachten, um die Europäer für sich zu gewinnen.

Sulchan-Saba-Orbeliani, der aus einem georgischen Fürstengeschlecht stammende Mönch, Politiker und Schriftsteller aus Verzweiflung und Trostlosigkeit konvertierte zur katholischen Kirche, um damit seinem Land helfen zu können. Zwischen 1713 – 1714 besuchte er im Auftrag des ebenfalls zum Katholizismus konvertierten georgischen Königs Wachtang VI. Papst Clemens XI. und fungierte als Gesandter beim französischen König Ludwig XIV. Sowohl der Papst als auch der König Ludwig versprachen eine Hilfe zu der es nie kommen sollte.
1783 schloss Ostgeorgien (Kartlien-Kachetien) einen Schutzvertrag mit Russland. 1801 wurde Kartli-Kachetien per Dekret des Zaren annektiert und sein Königshaus entthront. Die Regionen im Westen des Landes blieben noch ein Jahrzehnt lang staatlich unabhängig. Erst 1810 eroberte Russland das georgische Königreich Imeretien. Russland brauchte weitere 54 Jahre, um die vollständige Kontrolle über Westgeorgien zu gewinnen. Das Fürstentum Gurien wurde 1828 abgeschafft, Megrelien 1857. Die Region Swanetien wurde zwischen 1857 und 1859 annektiert, das Fürstentum Abchasien 1864.
Nach der Oktoberrevolution erklärte sich Georgien am 26. Mai 1918 unabhängig. Am 16. Februar 1921 wurde die Demokratische Republik Georgien von der Roten Armee besetzt und in die Sowjetunion eingegliedert.
Anfang des XX. Jahrhunderts versuchte die junge georgische Republik erneut eine Hilfe bei den Europäern zu suchen, aber für ihre Favoriten war der 1. Weltkrieg ungünstig ausgefallen, so dass die Langersehnte Unterstützung für ungewisse Zeit verschoben wurde.
Die Wende und der Wind der Befreiungswelle der 90er Jahre gelangten auch über die Kaukasusberge bis nach Georgien. Es war wieder soweit, dass die Georgier erneut anfingen zu träumen und zu hoffen. Am 21. Oktober 2006 kamen aus finnischen Lahti Signale, die die Herzen von Georgier wieder höher schlagen ließen. Es ist wieder einmal so weit. Die EU hat angedeutet, dass sie nicht weiter bereit ist die Demokratie für das russische Erdgas und Öl einzutauschen.
Europa und Europäer haben ein Problem. Sie wollen dem russischen Bären nicht auf den Schwanz treten, weil nämlich in den europäischen Haushalten es genauso kalt werden könnte, wie es in den georgischen im vergangenen Winter war.
Dass die russische Regierung die separatistischen Bewegungen in den abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien, Süd-Ossetien und moldauischen Transdnjestrien unterstützt ist offensichtlich. Alle drei so genannten Präsidenten von so genannten Republiken: Kokoiti, Bagapsch und Smirnow sind russische Staatsbürger. Wie kann ein russischer Staatsbürger Präsident eines anderen Landes sein? Die ossetischen und abchasischen Handlanger Kremls Kokoiti und Bagapsch haben dummerweise im russischen staatlichen Fernsehen zugegeben, dass sie russische Staatsbürger sind. Die Führungen in allen drei oben genannten Regionen leben allerdings nur von den Schmuggel-Erträgen.
Ob Europa und Europäer weiterhin schweigen werden oder Russland am Pranger des Eu-Parlaments gestellt wird, ändert sich an der Sache nichts. Georgien wird es sehr schwer haben das Machtgehabe des „großen Bruders“ zu ertragen. Das große Russland wird weiterhin seine Kräfte am kleinen Georgien messen. Russland ist mindestens 30 Mal so groß wie das kleine Georgien. Warum hat sich Putin ausgerechnet Georgien als Gegner ausgesucht? Weil Russland sich selbst bemitleidet. Der so genannte kühle Pragmatiker hat einmal gestanden, er habe den Zerfall der Sowjetunion als größte Tragödie seines Lebens empfunden. Russland wird eben durch seine Erdöl- und Gasexporte wirtschaftlich immer stärker und das verstärkt nun den imperialen Phantomschmerz der russischen Elite. Sie können und wollen nicht realisieren, dass ehemalige Randrepubliken des Sowjetreiches, wie etwa Ukraine oder Georgien, jetzt souveräne Staaten sind – dass sie gar die Mitgliedschaft in der EU und der NATO zum Ziel ihrer Politik erklären.
Genauso wie die Liebe durch den Magen geht, geht der Weg Georgiens in die EU durch die Türkei. Mögen das auch ferne und Zukunftspläne sein, aber Georgien wird in den nächsten Jahren ein Mitglied der NATO sein. Irgendwann mal wird das kleine Völkchen am Kaukasus auch von Russland ohne Putin akzeptiert, genauso wie die baltischen Staaten., aber dieser Konflikt mit Georgien ist und wird verheerend für die russische Innenpolitik, denn Fremdenhass ist leicht zu schüren, aber schwer einzudämmen. Europa muss selbst entscheiden wie verlässlich ein Partner sein kann, der sich in der Außenpolitik zu solchen Überreaktionen verleiten lässt?
Und die Georgier werden wohl lernen und endlich begreifen müssen, dass sie die eigenen Probleme hauptsächlich alleine zu lösen haben. „Onkel Georg“ hat andere, viel größere Probleme, „Bruder Vladimir“ ist logischer Weise nicht interessiert das georgische Problem zu lösen und für die EU-Freunde liegt Georgien ziemlich weit entfernt und weshalb sollten sie auch wegen Georgien den Öllieferanten, wenn auch nicht zuverlässigen, verärgern?..

Neustadt/W, den 17. Dezember 2006

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