Montag, 29. September 2008

Truppenabzug auf Russisch

Seit Wochen behaupten die Russen, sie hätten das georgische Kernland sogar vorzeitig verlassen. Wie oft wurde letzte Zeit die Welt von den Russen nachweislich hinters Licht geführt? Auf diese Frage sollen lieber die Genossen im Kreml antworten.
Tatsache ist, dass die Russen zwar die Invasionstruppen aus Poti, Senaki, Teklati, Pirveli Maisi und Zugdidi abgezogen haben, aber es ist auch war, dass sie noch zusätzliche Kräfte nach Tsch´chorozku und Zalendschicha verlegt haben. Die dort lebenden Menschen haben Angst vor den russischen Soldaten, weil die russische Militärführung nicht dafür sorgt, seine Soldaten zu verpflegen. Die Soldaten sind gezwungen selbständig das Essen und Trinken zu „besorgen“ und das bringt Probleme mit sich. Nach Augenzeugenberichten versuchen die russischen Soldaten in Zalndschicha Diesel gegen Schnaps und Brot einzutauschen. Für 5 Liter Schnaps wird 100 Liter Diesel angeboten. Solche Tauschgeschäfte wäre nichts Neues für die russischen Militärs, aber das Problem ist, dass die Soldaten oft betrunken sind und dadurch die einheimische Bevölkerung bedrohen. Mit Kampffahrzeugen fahren die Soldaten „einkaufen“ und lassen sich die Rücksäcke mit Waffengewalt in den Geschäften vollpacken und hauen ab ohne zu bezahlen. Außerdem ist es in Zalndschicha zweimal zu einem Verkehrsunfall gekommen und alle beide male sind die Soldaten nicht nur leicht beschwipst, sondern stock besoffen gewesen. Bei diesen Unfällen ist es Gott sei Dank niemand zu Tode gekommen. Es hat nur Verletzte gegeben.
Das Georgien nicht nur ein Fleck auf der Landkarte ist und dort auch Menschen wohnen und überleben wollen, vermisse ich bei jedem Erklärungsversuch, warum Georgiens Grenzen unverschiebbar sein sollen. Dass die Russen nicht nur das georgische Kernland, sondern auch alle Anderen Gebiete verlassen sollten, ist unabdingbar. Der Fluss Enguri bildet eine Trennlinie bzw. administrative Grenze zwischen Samegrelo-Semo-Svaneti Region und Abchasien. Die Kreisstadt Zalndschicha erstreckt sich entlang des Enguri Flusses und am rechten Ufer des Flusses befinden sich 5 Gemeinden, die zur Kreisstadt Zalendschicha gehören. Das sind Lia, Pozcho, Pachulani, Mushava, Tschale.
Nach Augenzeugenberichten werden in diesen georgischen Gemeinden Menschen aufgefördert entweder die georgischen Pässe für abchasische einzutauschen oder aber „Abchasien“ zu verlassen. Der Separatistenvertreter Ruslan Kishmaria begleitet die abchasischen Freischärler und versucht die georgische Bevölkerung aus diesen Gemeinden zu vertreiben. Inzwischen sind nur noch ältere Menschen dort geblieben, alle anderen sind geflohen. Die russischen Soldaten stehen in der Nähe und beobachten wie die Georgier aus eigenem Land vertrieben werden.
Es bleibt nur noch zu hoffen, dass die EU-Beobachter bald nach Georgien kommen und den „Säuberungen“ ein Ende setzen.

Badri Sarqua

29.09.2008

Sonntag, 28. September 2008

Europas Schwäche ist Russlands Stärke

„Was braucht es noch,“ „damit Europa aufhört, Putin wie einen Demokraten zu behandeln? Müssen erst alle Oppositionsparteien verboten sein? Oder was ist, wenn sie damit beginnen, auf offener Straße auf Leute zu schießen?“ Wahrscheinlich ist es wahr, dass es auch in solchen Fällen wenig gäbe, was die EU tun könnten. Sich zu kümmern wird immer die beste Hoffnung für die Menschen in Europa und Russland sein.
Die Bürger Georgiens würden da vermutlich kaum zustimmen. Russlands Invasion war die direkte Folge einer fast ein Jahrzehnt währenden Zeit der Hilflosigkeit und Selbsttäuschung des Westens. Der zu Beginn seiner Herrschaft im Jahr 2000 in der internationalen Arena zunächst unerfahren und vorsichtig agierende Putin lernte schnell, dass er mit allem durchkam, ohne Konsequenzen durch die EU oder Amerika befürchten zu müssen.
Russland wurde wieder zu einer KGB-Diktatur, während Herr Putin bei den G8-Gipfeln als gleichberechtigter Partner behandelt wurde. Italiens Silvio Berlusconi und Deutschlands Gerhard Schröder wurden Geschäftspartner des Kreml. Herr Putin erkannte, dass demokratische Legitimation ebenso gekauft und verkauft werden konnte, wie alles andere. Die endgültige Bestätigung war die Akzeptanz Dmitri Medwedews innerhalb der G8 und auf der Weltbühne. Die Führer der freien Welt begrüßten Putins durch eklatant gefälschte Wahlen gesalbte Marionette.
neulich sprintete der französische Präsident Nicolas Sarkozy nach Moskau, um ein Waffenstillstandsabkommen zu vermitteln. Ihm wurde erlaubt, seine Show abzuziehen, vielleicht als Belohnung für seine telefonische Gratulation an Herrn Putin nach russischen parlamentarischen Dezember-„Wahlen“. Aber vor nur wenigen Monaten war Herr Sarkozy noch als Bittsteller in Moskau, um für Renault zu werben. Wie viel Glaubwürdigkeit hat er wohl in Putins Augen?
Tatsächlich versucht Herr Sarkozy einer Krise zu begegnen, an deren Entstehung er selbst mitgewirkt hat. Im April hatte er noch die amerikanische Initiative blockiert, Georgien auf einen schnellen Weg zur NATO-Mitgliedschaft zu bringen. Das war eine von den vielen verpassten Gelegenheiten, die in ihrer Gesamtheit Putin den Eindruck vermittelten, mit allem ungestraft durchzukommen. Auf diese Weise förderten und unterstützten die G7-Nationen die Ambitionen des Kreml.
Georgien tappte in eine Falle, wenn auch seine unvorsichtigen Aggressionen in Südossetien vom Wunsch Putins überspielt wurden, den starken Mann zu spielen. Russland nutzte die Chance, auf georgischem Gebiet in die Offensive zu gehen und sich dabei gleichzeitig als Held und Opfer zu präsentieren. Herr Putin hat lange Zeit darauf gelauert, den georgischen Präsidenten Micheil Saakashvili für sein respektloses Verhalten sowohl gegenüber Altmeister Russland, als auch gegenüber Putin persönlich (es gibt ein bekanntes Gerücht, dass der georgische Präsident Putin als „Lilli-Putin“ verspottete).
Die Zuneigung Saakaschwilis zu Europa und zu dem Westen wurde vom Kreml als schlechtes Beispiel aufgefasst. Die Regierungen der abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien sind von oben bis unten mit Bürokraten aus den russischen Geheimdiensten durchsetzt.
Während des Konflikts war die vom Kreml choreografierte Botschaft in den russischen Medien eine einzige Hysterie. Die Nachrichten stellten Russland als umgeben von Feinden in Nah und Fern dar und die militärische Intervention als wesentlich, um das Leben und die Interessen von Russen zu schützen. Es wird oft von einem ersten Schritt gesprochen, dem weitere Enklaven in der Ukraine folgen werden. Falken wie Russlands nationalistischer Politiker Vladimir Zhirinovsky werden genutzt, um die öffentliche Meinung aufzupeitschen und zu testen. Der Kreml-gestützte ultranationalistische Ideologe Alexander Dugin sprach im Radio davon, dass die russischen Truppen nicht eher stoppen sollten, als bis sie gestoppt werden. Der Schaden aus solcher Rhetorik ist nur sehr langsam zu heilen.
Der Konflikt droht auch das Verhältnis zu Europa und Amerika für die kommenden Jahre zu vergiften. Kann ein derart kriegerischer Staat als Garant für die europäische Energieversorgung angesehen werden? Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain wurde für seine starke Haltung gegenüber Herrn Putin verspottet, die auch einen Vorschlag zum Rauswurf Russlands aus den G8 enthielt. Werden seine Kritiker nun zugeben, dass der Mann, den sie als antiquierten Kalten Krieger bezeichnet hatten, als Einziger Recht hatte?
Die gängige Vorstellung vom unverwundbaren Russland dient als Ausrede für Untätigkeit. Präsident Bushs verspätete harte Sprache ist willkommen, aber jetzt müssen Sanktionen in Betracht gezogen werden. Die im Kreml bestimmende Clique hat vitale Interessen im Ausland – z.B. Vermögenswerte – und diese Interessen sind anfällig.
Das Blut, der in diesem Konflikt Getöteten, klebt an den Händen radikaler Nationalisten, gedankenloser Politiker, opportunistischer Oligarchen und den Führern der Freien Welt, die Gas und Öl einen höheren Wert beimessen, als Prinzipien. Es werden noch mehr Leben verloren gehen bis endlich starke moralische Grenzen gezogen werden, um die Grenzen in den Karten zu verstärken.

Wir sind alle Georgier

Die Welt hat einen hohen Preis dafür gezahlt, Aggressionen gegen freie Länder unbeantwortet zu lassen. Ob Hitlers Einnahme des Sudetenlandes oder der Einmarsch sowjetischer Panzer im Prager Frühling dreißig Jahre später. Das ist die Antwort auf die Frage, was uns Georgien angeht.
Putin und seine Geheimdienst-Schergen haben den Krieg geplant, vorbereitet und zu verantworten. Warum werden zivile Einrichtungen und Pipelines bombardiert, wenn man vorgibt, nur seine Landsleute schützen zu wollen? Georgiens einziger Fehler war es, eine junge, pro-westliche Demokratie an Russlands Grenze zu sein. Putin will die Macht des verendeten Sowjetimperiums wiederbeleben. Die Ukraine, Polen und die baltischen Staaten kennen die Russen. Sie haben verstanden. Erst Georgien, dann sind wir an der Reihe. Ihre Staatschefs flogen als erste nach Tiflis, um sich an die Seite Georgiens zu stellen.
Aber vielleicht haben Putin und seine Marionette Medwedew überzogen. Nachdem Deutschland zunächst bremste, setzt sich Kanzlerin Merkel jetzt deutlich für einen Nato-Beitritt Georgiens ein. Polen unterschrieb den Vertrag über eine Raketenabwehr mit den USA. Sogar ein Rauswurf Rußlands aus den G-8 wird diskutiert. Die aktuelle Krise zeigt auch, warum Altkanzler Schröder für die wohl katastrophalste Phase deutscher Außenpolitik der Nachkriegszeit mitverantwortlich war. Er gibt Georgien die Schuld am Konflikt. Unappetitliche Ergebenheitsadressen von Putins bezahltem Lobbyisten.

Samstag, 27. September 2008

Russlands Salamitaktik im Kaukasus - Sterben für Poti?

Mourir pour Dantzig?“ Sollen wir wegen Danzig den Krieg erklären und sterben? Das war die Frage, über die sich die Demokratien Europas in den Monaten vor dem 1.September 1939 den Kopf zerbrechen mussten. Hitler hatte gefordert, das mehrheitlich deutsch besiedelte, doch als „Freie Stadt“ unabhängige Danzig heim ins Reich holen zu können. Schon vor Danzig hatten die Westeuropäer befunden, wofür es sich ebenfalls nicht zu sterben lohne: für Aussig nicht (die sudetendeutsche Stadt an der Elbe) und auch nicht für Prag, von Wien ganz zu schweigen. So wurde Danzig zum nächsten Scheibchen für einen Metzgermeister, von dem man lange Zeit gehofft hatte, er werde auch künftig bei der Salamitaktik bleiben. Der weitere Verlauf ist bekannt: Am 1.September hat die Wehrmacht in der Hafenstadt „zurückgeschossen“.
Historischer Einschnitt. Es wäre verfehlt, vorschnell und oberflächlich Parallelen zur heutigen Situation zu konstruieren. Doch das Russland nach 1991 ist mit dem Deutschland nach 1919 von Experten und Publizisten schon tausendmal verglichen worden. An die Gemeinsamkeiten darf hier erinnert werden: Da ist eine für Dolchstoßlegenden und Verschwörungstheorien empfängliche, großenteils revisionistisch gestimmte Nation, deren führende Köpfe noch dazu auf einem politisch-kulturellen „Sonderweg“ ihres Landes beharren. Dazu der prekäre Zustand einer ungefestigten Demokratie. Schließlich die Versuchung, als Demütigung empfundene oder propagandistisch dargestellte Grenzziehungen einseitig rückgängig zu machen. Das war bisher alles graue Theorie. Doch der erste Militärschlag des postsowjetischen Russland im Ausland fügt diesen Vergleichen ein neues Kapitel hinzu. Dieser Einschnitt ist zweifellos historisch zu nennen.
Die Überwindung des Kommunismus. Kaum jemand hat dafür ein so waches Gespür wie die Bürger der Staaten östlich von Deutschland. Ihre Länder waren vor 1939 in der nachgerade tragischen Situation, gleich zwei übermächtige und expansionslüsterne Nachbarn zu haben – und die halbherzigen Verbündeten nur in der Ferne. Fast 70 Jahre danach haben viele dieser Länder den Sprung unter den Mantel von Nato und EU vollzogen. Danzig wurde zum Symbol der Überwindung des Kommunismus und der Aussöhnung mit den Deutschen. Aussig ist umgeben von guten Nachbarn. Estland und Lettland haben seit Kurzem endlich Grenzverträge mit Russland; die Entwicklung beider Länder bietet auch den russischen Minderheiten hinreichend Chancen und Integrationsanreize.
Sondergipfel der EU Eine der Grundvoraussetzungen des europäischen Zusammenwachsens war, dass die Deutschen ihre Lektionen aus der Geschichte gelernt haben. In der Tat: Deutschland hat Revisionismus und Sonderwegsdenken verworfen und der im 20.Jahrhundert virulenten imperialistischen Versuchung abgeschworen. Lässt sich das auch von der heutigen Moskauer Elite sagen?Wenn heute die EU zu ihrem Sondergipfel zusammenkommt, wird sie sich über das Vorgehen des russischen Militärs in der georgischen Hafenstadt Poti den Kopf zerbrechen. Mit der einen Hand das von Sarkozy ausgehandelte Friedenspapier unterschreiben, mit der anderen in Poti weiter Schiffe versenken – das ist keine vertrauensbildende Maßnahme Russlands. Noch tiefer sitzt bei den Europäern der Schock über die Anerkennung zweier Zwergstaaten, auf die eines Tages die Vergrößerung des russischen Staatsgebiets folgen könnte. Und nicht nur in der Schwarzmeerregion ist die Sorge groß, Südossetien und Abchasien könnten nur erste Salamischeibchen sein.
Sorge bei Russlands Nachbarn.Diese Sorge treibt vor allem die Nachbarn unserer Nachbarn um, jene, die (bisher) weder der Nato noch der EU angehören. Für sie hat die Epoche des „Zwischeneuropa“, wie jene Grauzone der Unsicherheit im Osten einst genannt wurde, mit der Gewinnung ihrer Eigenstaatlichkeit 1991 erst begonnen. Was vor 1939 wohlfeiles Argument der Diktatoren war, kann für sie auch heute zur Gefahr werden: der vorgebliche „Schutz“ der (in diesem Falle russischen) Minderheiten im Land, womöglich gar vor einem drohenden „Genozid“, wie ihn die Moskauer Propaganda mit Blick auf Georgien an die Wand malte. Dass heute mehr denn je zuvor die Kontrolle über die Rohstofftransportwege eine Rolle spielt, macht die Sache noch brisanter.
Die Diagnose. Wie sollte Europa reagieren? An erster Stelle muss die Diagnose stehen. Sind die Werte und Ziele der regierenden russischen Elite mit den gewachsenen Werten und Zielen der EU noch kompatibel? Die Antwort muss bei nüchterner Betrachtung großenteils negativ ausfallen. Sich um diese Erkenntnis nicht länger herumzudrücken ist am Tag des Georgien-Gipfels die eigentliche Aufgabe.Die Werte Russlands sind mit denen der EU nicht mehr kompatibel.


Abtrünnige Provinzen werden zu "besetzten Gebieten"

Das georgische Parlament hat die abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien zu "besetzten Gebieten" erklärt. Dieser Status bringt einige Einschränkungen für die Menschen in den beiden Regionen mit sich.

Für den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili ist die Zugehörigkeit Südossetiens zu Georgien unantastbar.
Südossetien und Abchasien bleiben weiter umkämpft. Georgien hat die beiden Regionen für "besetztes Gebiet" erklärt, ein entsprechendes Gesetz sei am Freitag verabschiedet worden, sagte Parlamentssprecherin Maka Gigauri. Mit der veränderten Gesetzgebung treten in den beiden Gebieten für die Zeit der russischen Besatzung den Angaben zufolge bestimmte Beschränkungen in Kraft. So sollen Ausländer in Südossetien und Abchasien keinen Handel mehr treiben oder Immobiliengeschäfte abschließen dürfen.Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will am Montag in Wien die Verhandlungen über die Entsendung von 80 Beobachtern nach Georgien wieder aufnehmen. Wie der finnische Außenminister und amtierende OSZE-Vorsitzende Alexander Stubb am Freitag in New York sagte, hofft die OSZE weiterhin darauf, zudem acht Beobachter nach Südossetien entsenden zu können. Die Beobachter könnten die abtrünnige georgische Provinz beispielsweise nur tagsüber betreten und sie über Nacht wieder verlassen, erklärte Stubb nach einem Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat.Die OSZE hatte Mitte August beschlossen, ihre achtköpfige Beobachtermission in der Kaukasus-Region um zunächst 20 zusätzliche Kräfte zu verstärken. Eine ursprünglich geplante weitere Aufstockung auf insgesamt 100 Militärbeobachter war am Widerstand Russlands gescheitert. Abchasien und Südossetien betrachten sich als unabhängig und werden darin von Russland unterstützt. Georgien lehnt die Abspaltung entschieden ab und war Anfang August in Südossetien einmarschiert. Russland reagierte mit einer Invasion in Georgien und erkannte die beiden georgischen Provinzen Ende August als eigenständige Staaten an.
Badri Sarqua

Dienstag, 23. September 2008

Georgiens verzweifelter Blick in Richtung Europa

Georgien – das Land der Urchristen, das bereits im mittleren Paläolithikum von Menschen besiedelt wurde. Im 6. Jahrhundert v. Chr. entstand der westliche georgische Staat- Kolcheti, im 4. Jahrhundert der östliche- Iberien. Später unterwarfen die Assyrer, dann Alexander der Große das Land. Georgien erhob im Jahr 337 das Christentum zur Staatsreligion.
Seit Jahrhunderten versucht das kleine von Feinden umzingelte Kaukasusvölkchen die Gunst der Europäer zu gewinnen. Obwohl es eigentlich kein Anzeichen dafür gegeben hatte, dass auch die Gegenseite bereit wäre die Georgier gerne in die Arme zu nehmen, glaubte man trotzdem in Georgien, dass sie in Europa und für die Europäer willkommen seien. Trotz vielen Enttäuschungen wird in Georgien auch heute weiter gehofft.
Am Ende des 10. Jahrhunderts wurde Georgien im goldenen Zeitalter vereint. Die langjährige Abhängigkeit vom Byzantinischen Reich wurde abgeschüttelt. Unter David dem Erbauer und Königin Tamar wurde Georgien zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert die stärkste Macht in Transkaukasien. Es folgte eine mongolische Invasion unter Timur Lenk. Im 16. Jahrhundert zerfiel Georgien in die Königreiche Imeretien, Kachetien und Kartli sowie fünf Fürstentümer, die unter osmanischem und iranischem Einfluss standen.
Es ist bestimmt für viele heutigen Europäer ganz neu, dass die Georgier im Mittelalter die Kreuzzüge nicht nur aus religiösen, sondern auch aus politischen Gründen mitmachten, um die Europäer für sich zu gewinnen.

Sulchan-Saba-Orbeliani, der aus einem georgischen Fürstengeschlecht stammende Mönch, Politiker und Schriftsteller aus Verzweiflung und Trostlosigkeit konvertierte zur katholischen Kirche, um damit seinem Land helfen zu können. Zwischen 1713 – 1714 besuchte er im Auftrag des ebenfalls zum Katholizismus konvertierten georgischen Königs Wachtang VI. Papst Clemens XI. und fungierte als Gesandter beim französischen König Ludwig XIV. Sowohl der Papst als auch der König Ludwig versprachen eine Hilfe zu der es nie kommen sollte.
1783 schloss Ostgeorgien (Kartlien-Kachetien) einen Schutzvertrag mit Russland. 1801 wurde Kartli-Kachetien per Dekret des Zaren annektiert und sein Königshaus entthront. Die Regionen im Westen des Landes blieben noch ein Jahrzehnt lang staatlich unabhängig. Erst 1810 eroberte Russland das georgische Königreich Imeretien. Russland brauchte weitere 54 Jahre, um die vollständige Kontrolle über Westgeorgien zu gewinnen. Das Fürstentum Gurien wurde 1828 abgeschafft, Megrelien 1857. Die Region Swanetien wurde zwischen 1857 und 1859 annektiert, das Fürstentum Abchasien 1864.
Nach der Oktoberrevolution erklärte sich Georgien am 26. Mai 1918 unabhängig. Am 16. Februar 1921 wurde die Demokratische Republik Georgien von der Roten Armee besetzt und in die Sowjetunion eingegliedert.
Anfang des XX. Jahrhunderts versuchte die junge georgische Republik erneut eine Hilfe bei den Europäern zu suchen, aber für ihre Favoriten war der 1. Weltkrieg ungünstig ausgefallen, so dass die Langersehnte Unterstützung für ungewisse Zeit verschoben wurde.
Die Wende und der Wind der Befreiungswelle der 90er Jahre gelangten auch über die Kaukasusberge bis nach Georgien. Es war wieder soweit, dass die Georgier erneut anfingen zu träumen und zu hoffen. Am 21. Oktober 2006 kamen aus finnischen Lahti Signale, die die Herzen von Georgier wieder höher schlagen ließen. Es ist wieder einmal so weit. Die EU hat angedeutet, dass sie nicht weiter bereit ist die Demokratie für das russische Erdgas und Öl einzutauschen.
Europa und Europäer haben ein Problem. Sie wollen dem russischen Bären nicht auf den Schwanz treten, weil nämlich in den europäischen Haushalten es genauso kalt werden könnte, wie es in den georgischen im vergangenen Winter war.
Dass die russische Regierung die separatistischen Bewegungen in den abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien, Süd-Ossetien und moldauischen Transdnjestrien unterstützt ist offensichtlich. Alle drei so genannten Präsidenten von so genannten Republiken: Kokoiti, Bagapsch und Smirnow sind russische Staatsbürger. Wie kann ein russischer Staatsbürger Präsident eines anderen Landes sein? Die ossetischen und abchasischen Handlanger Kremls Kokoiti und Bagapsch haben dummerweise im russischen staatlichen Fernsehen zugegeben, dass sie russische Staatsbürger sind. Die Führungen in allen drei oben genannten Regionen leben allerdings nur von den Schmuggel-Erträgen.
Ob Europa und Europäer weiterhin schweigen werden oder Russland am Pranger des Eu-Parlaments gestellt wird, ändert sich an der Sache nichts. Georgien wird es sehr schwer haben das Machtgehabe des „großen Bruders“ zu ertragen. Das große Russland wird weiterhin seine Kräfte am kleinen Georgien messen. Russland ist mindestens 30 Mal so groß wie das kleine Georgien. Warum hat sich Putin ausgerechnet Georgien als Gegner ausgesucht? Weil Russland sich selbst bemitleidet. Der so genannte kühle Pragmatiker hat einmal gestanden, er habe den Zerfall der Sowjetunion als größte Tragödie seines Lebens empfunden. Russland wird eben durch seine Erdöl- und Gasexporte wirtschaftlich immer stärker und das verstärkt nun den imperialen Phantomschmerz der russischen Elite. Sie können und wollen nicht realisieren, dass ehemalige Randrepubliken des Sowjetreiches, wie etwa Ukraine oder Georgien, jetzt souveräne Staaten sind – dass sie gar die Mitgliedschaft in der EU und der NATO zum Ziel ihrer Politik erklären.
Genauso wie die Liebe durch den Magen geht, geht der Weg Georgiens in die EU durch die Türkei. Mögen das auch ferne und Zukunftspläne sein, aber Georgien wird in den nächsten Jahren ein Mitglied der NATO sein. Irgendwann mal wird das kleine Völkchen am Kaukasus auch von Russland ohne Putin akzeptiert, genauso wie die baltischen Staaten., aber dieser Konflikt mit Georgien ist und wird verheerend für die russische Innenpolitik, denn Fremdenhass ist leicht zu schüren, aber schwer einzudämmen. Europa muss selbst entscheiden wie verlässlich ein Partner sein kann, der sich in der Außenpolitik zu solchen Überreaktionen verleiten lässt?
Und die Georgier werden wohl lernen und endlich begreifen müssen, dass sie die eigenen Probleme hauptsächlich alleine zu lösen haben. „Onkel Georg“ hat andere, viel größere Probleme, „Bruder Vladimir“ ist logischer Weise nicht interessiert das georgische Problem zu lösen und für die EU-Freunde liegt Georgien ziemlich weit entfernt und weshalb sollten sie auch wegen Georgien den Öllieferanten, wenn auch nicht zuverlässigen, verärgern?..

Neustadt/W, den 17. Dezember 2006

ADIEU KREML, DOSWIDANIA TOWARISCHTSCHI…

Seit zirka 16 Jahren hat Georgien argumentiert, dass Russland eine Politik betreibe, die auf eine Bewaffnung und Unterstützung der Separatisten in Abchasien und Süd-Ossetien abzielt. Viele Russlandkenner sagten voraus, dass ohne ein starkes und einiges diplomatisches Engagement des Westens, ein Krieg käme. Und nun hat diesen Krieg nicht nur Georgien, sondern vor allem der Westen und die gesamte westliche Zivilisation bekommen.

Der Westen hätte diesen Krieg verhindern können, aber manche Politiker in Europa dachten immer noch, dass Medwedew besser sei als Putin und Präsident Saakaschwili mit seinen Äußerungen einfach übertreibe.

Vor kurzem wäre es noch einfacher gewesen, dass ein Georgier seine Hoden durchs Nadelöhr jagt, als dass ein Georgier in die NATO kommt. Man hätte diesen Krieg zwischen Russland und Georgien bereits in Bukarest verhindern können, wenn Deutschland und Frankreich nicht so stur gewesen wären.

Einige Länder und vor allem Deutschland haben vergessen, dass sie auf Kosten der NATO die eigene Identität und Staatlichkeit erhalten haben. Als Deutschland in die NATO aufgenommen wurde, hat sie keine Kriterien erfüllt, die sie neulich von Georgien oder der Ukraine verlangte. Deutschland war auch geteilt und die Menschen waren auch gegen die Mitgliedschaft Deutschlands in der Nato. Nach Merkel-Kriterium wäre wohl Deutschland nie der Nato beigetreten. Weder Deutschland, noch Russland haben das Recht, Georgien und die Ukraine in die Gegenwelt Europas zurückzustoßen und den russen zum Fraß zu werfen.

Das erste Signal gen Kreml wurde ausgesandt, als man der Ukraine und Georgien den von ihnen angestrebten so genannten „Membership Action Plan“ (MAP) vorenthielt. Mehrere politische Schwergewichte aus Europa – unter der Führung von Deutschland und Frankreich – lehnten dies trotz starker Unterstützung durch die Vereinigten Staaten ab.

Zunächst einmal musste wohl georgisches Blut fließen, um die Aufmerksamkeit und Unterstützung des Westens für das Land zu bekommen. Bereits 1921 hat Europa Georgien im Stich gelassen und dadurch wurde das Land 70 Jahre lang im Dreck gewälzt.

Egal welche Fehler die georgische Regierung beging, sie können Russlands Handeln nicht rechtfertigen. Der Kreml hat ein Nachbarland überfallen, seine Gebiete annektiert, ein widerrechtlicher Akt der Aggression, der gegen die UN-Charta und die Grundprinzipien der Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa verstößt.

Nachdem der Kreml zehntausenden von Abchasiern und Südosseten russische Pässe ausgehändigt hatte, behauptete er, er habe zu ihrem Schutz eingegriffen – eine Taktik, die an die Strategie Nazi-Deutschlands zu Beginn des Zweiten Weltkriegs erinnert.

Die Hoffnungen auf ein liberaleres Russland unter Präsident Dmitri Medwedew müssen erneut überdacht und endgültig beerdigt werden.

Was sollte der Westen nun tun?
Erstens verdient Georgien die Solidarität und Unterstützung des Westens, nicht zuletzt weil dieses Land auf Kosten seiner Soldaten der Weltöffentlichkeit das grässliche Gesicht des Krems vorgeführt hat. Der Westen muss sicherstellen, dass die Kampfhandlungen nicht wieder aufgenommen werden. Zudem sollte eine große, koordinierte transatlantische Anstrengung unternommen werden, um Georgien beim Wiederaufbau und bei der Überwindung des Krieges zu helfen.
Zweitens sollten die Europäer nicht so tun, als wäre Russland eine neutrale Ordnungsmacht zum Friedenserhalt in Konflikten an seinen Grenzen. Russland ist Teil des Problems, nicht die Lösung. Zu lange schon benutzt der Kreml bestehende internationale Mandate, um neoimperialistische Politik zu betreiben. Der Westen darf diese Mandate nicht anerkennen und muss stattdessen auf wirklich neutralen internationalen Truppen unter den Vereinten Nationen bestehen, um einen zukünftigen Waffenstillstand zu überwachen und zu vermitteln.
Drittens muss der Westen dem russischen Druck auf seine Nachbarn etwas entgegensetzen, insbesondere dem Druck auf die Ukraine, höchstwahrscheinlich das nächste Ziel der Bemühungen des Kremls, ein neues Herrschaftsgebiet zu schaffen. Die USA und die Europäische Union müssen klarstellen, dass die Ukraine und Georgien nicht zu einem Dasein als eine Art Grauzone verdammt sein werden.

Der Haken an der Sache ist Europas fehlender politischer Wille, gegenüber Russland einen geeinten Standpunkt einzunehmen. Das ermöglicht Russland eine klassische Strategie des „Teile und Herrsche“ zu verfolgen, indem man manche große europäische Länder – vor allem im Energiebereich – in bilaterale Abkommen lockt, die eine gemeinsame EU-Position verhindern.

Georgien hat ADIEU zur GUS gesagt und ich hoffe, dass die russischen Soldaten das letzte Mal den georgischen Boden betreten haben.

Es ist ungewiss, was aus Abchasien und Süd-Ossetien wird, aber die Georgier sollten weiterschauen und ein für alle mal mit den Genossen im Kreml abschied nehmen. DOSWIDANIA TOWARITSCHI - NAVSEGDA!



Badri Sarqua

Politisch pubertierender Kremlherr und Folgen des Putinismus…

Der neue so genannte Kremlherr verhält sich wie ein pubertierender Komsomolze und Putin läuft Amok. Putins Hass gegenüber dem georgischen Präsidenten macht ihn unberechenbar. Welche Ziele verfolgte der neue „Tigerbezwinger“ und was hat er bis jetzt erreicht?
Angesichts des Schadens, den Russland Georgien zugefügt hat, kommt man leicht zu dem Schluss, dass der Kreml seine Ziele wohl erreicht hat. Ist das tatsächlich auch so?
Nein!. Das wahre Ziel wurde verfehlt – nämlich Michail Saakaschwili, den georgischen Präsidenten loszuwerden. Genau diesen Plan verfolgten die zwei mit Petrodollar protzenden Kremlkomsomolzen.
Russland hat gewiss seine Kontrolle über die abtrünnigen Enklaven Südossetien und Abchasien verstärkt, die georgische Wirtschaft schmerzhaft geschädigt und versucht innerhalb der westlichen Allianz Zwietracht zu säen.
Drei Jahre lang hat Putin jede mögliche Taktik angewandt, um Saakaschwili zu stürzen – es wurde ein nationaler Aufstand geschürt, eine Wirtschaftsblockade verhängt, die russischen Kräfte in den Enklaven verstärkt und schließlich gab es einen Krieg. Der georgische Präsident allerdings ist weiterhin im Amt und er ist stärker den je.
Putin hat in Georgien nichts erreicht. Im Gegenteil, seine Soldaten haben gesehen wie gut es die georgischen Waffengegner in den Kasernen haben und es sollte für Putin ein Denkwürdigster Anblick sein: russische Soldaten in gestohlenen georgischen Uniformen – „weil die einfach besser sind als die russischen.“ Was bis jetzt verschwiegen wird, ist, dass die russischen Truppen viele Elitesoldaten im Kampf gegen georgischen Truppen verloren haben und wäre da nicht die russische Luftwaffe, hätten die Russen eine Blamage hingelegt. Nach Angaben von russischen Soldaten sollen die Russen knapp 2000 Soldaten verloren haben.
Eins ist für alle klar geworden: Der Kreml, genauer zu sagen, die zwei Kremlherren wollten Saakaschwili weghaben. Der Sarkozy –Sechs-Punkte- Plan wurde zwar auch von Medvedev unterzeichnet, aber dieser Plan ist für Russland nicht mehr akzeptabel. Erst spät hat der Kreml gemerkt, dass sie da etwas unterschrieben hat, was sie eigentlich nicht wollte. Russland hat alle sechs Punkte des Plans verletzt. Putin hat nicht erwartet, dass der Westen und vor allem die Bundeskanzlerin Saakaschwili in Schutz nehmen würden. Kreml wäre bereit gewesen sein Ziel, Saakaschwili loszuwerden, zu vergessen, falls man die Abspaltung von Südossetien und Abchasien versprochen hätte. Das ist aber auch von der Seite des Westens nicht passiert. Daraufhin hat der Kreml seinen eigenen bereits lange vorbereiteten Plan hergezaubert. Das zeigt wiederum wie verlässlich Russland ist und wie viel Wert die Abmachungen mit dem Kreml inzwischen Wert sind.
Die russische Invasion in Georgien hat gewiss die strategische Landschaft verändert. Während der Westen darüber diskutiert, wie „Russland zu bestrafen“ sei, ist es von entscheidender Bedeutung, nicht zu vergessen, dass sich die wahre Nachkriegsfront in Georgien befindet. Diskussionen darüber, Russland eventuell die Olympischen Winterspiele 2014 wegzunehmen oder das Land aus den G-8 zu werfen, könnten im Kreml zwar eine gewisse Wirkung zeigen (oder auch nicht), aber das Wichtigste, was der Westen jetzt tun kann, ist die Regierung in Tiflis zu stärken. Die Gleichung ist einfach: Wenn Saakaschwili überlebt, verliert Wladimir Putin.
Der unbändige persönliche Hass zwischen diesen beiden Männern überlagert zwei Jahrhunderte leidvoller Geschichte zwischen Russland und Georgien. Oftmals wird berichtet, dass Putin einfach „ausrastet“, wenn über den Aufsteiger Saakaschwili diskutiert wird, der sein Land vom Rande des Bankrotts in ein goldenes Zeitalter des Wirtschaftswachstums und der welthöchsten ausländischen Direktinvestitionen im Verhältnis zum BIP führte.
Der Kreml hat seine Chance, Saakaschwili durch offene Gewalt aus dem Amt zu entfernen, möglicherweise verspielt, obwohl undurchsichtige, geheimere Machenschaften des FSB nicht auszuschließen sind. Die größte Hoffnung des Kremls ist nun, dass die georgische Wirtschaft zu bröckeln beginnt, seine Währung zusammenbricht und eine unglückliche Bevölkerung, unterstützt von einem (von Russland finanzierten) Oppositionsführer, Saakaschwili aus dem Amt zwingt. Die Georgier wären auch dran der Weltöffentlichkeit zu zeigen, dass sie im Stande sind sich zu konsolidieren und mit vereinten Kräften gegen Russland anzutreten.
Die Reaktion des Westens auf seine Herausforderung muss über reine Rhetorik hinausgehen. Worauf es momentan am meisten ankommt, ist massive wirtschaftliche und militärische Hilfe. Öffentliche Bekenntnisse zur Hilfe beim Wiederaufbau Georgiens sind die beste Möglichkeit, Russland vom Erreichen seines Zieles abzuhalten.
Eine zusätzliche Milliarde Dollar Soforthilfe forderte US-Senator Joseph Biden, dessen Vorschlag von Barack Obama umgehend unterstützt wurde. Die Europäische Union, die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung müssten ihre Unterstützung der amerikanischen Hilfe angleichen.
Die aktuelle Krise im Kaukasus markiert weder die Rückkehr des Kalten Krieges, noch ist es wahrscheinlich, dass sie den Beginn einer offenen Kriegsführung zwischen Russland und dem Westen einleitet; sie ist ganz einfach die Rückkehr des vor mehr als einem Jahrhundert vom russischen Zarenreich praktizierten traditionellen Imperialismus.
China und Russland haben sich auf der Weltbühne zurückgemeldet. China ist ein auf sich selbst vertrauendes und mit dem Status quo zufriedenes Reich. Russland dagegen ist eine revisionistische, imperialistische Macht, deren Mangel an Selbstvertrauen die Welt nun erneut heimsucht. Während China wichtige Schritte nach vorn tut, geht Russland mit Riesenschritten rückwärts. Es ist auch Zeit gekommen aus dem jetzigen G8 eine neue G 7 + China zu machen. China ist auch würdig dazuzugehören.
Putin und Co. versucht seine Großmannssucht auszuleben. Doch davon, eine ökonomische Weltmacht zu sein, ist das Land weit entfernt. Das Durchschnittsgehalt liegt bei 476 Euro, die Lebenserwartung sinkt dramatisch und die Infrastruktur zerfällt, vor allem auf dem Land. Der Kaukasuskonflikt verschärft die Lage.
Der russische Präsident Dimitri Medwedew übt sich nach dem siegreichen Fünf-Tage-Krieg mit dem Nachbarn Georgien in rhetorischer Hochrüstung. Russland lässt die Muskeln spielen wie seit Sowjetzeiten nicht mehr – und beschädigt nicht nur die diplomatischen Drähte, sondern auch seine über Jahre hinweg so mühevoll aufgebauten Wirtschaftsbeziehungen zum Westen.
Der Krieg hat seinen Preis, auch und gerade wirtschaftlich: Seit Ausbruch der Kämpfe verlor der russische Börsenindex RTS 13 Prozent. Ausländer zogen der Bank Troika Dialog zufolge 22 bis 23 Milliarden Dollar vom Finanzmarkt ab. Die Zentralbank verkaufte 16 Milliarden Dollar an Währungsreserven, um den Rubel zu stützen.
Noch viel größer wiegt, zumindest potenziell, der Imageschaden. Selbst die gewiss nicht regierungskritische staatliche VTB-Bank kommt in einer Analyse zu dem Schluss, dass die Auseinandersetzungen „zweifelsfrei negative Auswirkungen auf das Investitionsklima“ haben. „Kein Problem“, ist dagegen aus dem Kreml zu hören. Schließlich verfüge man über Währungsreserven von 581 Milliarden Dollar und habe auch im Reserve- und Stabilitätsfonds noch mehr als 160 Milliarden Dollar liegen.
Die Kraftmeierei ist nicht zuletzt dem Gefühl der Unverwundbarkeit eines Landes geschuldet, das jeden Tag eine Milliarde Dollar aus Verkäufen von Öl und Gas einnimmt und ein Viertel der europäischen Erdgasversorgung bestreitet. Die russische Führung scheint vergessen zu haben, dass es erst zehn Jahre her ist, da sich Russland für zahlungsunfähig erklären musste.
Doch ist das Russland von 2008 längst nicht so stark, so robust, wie es sich gibt. Denn es gibt auch das andere, das schwache, problembeladene, instabile Russland: das Russland jenseits der Petrodollarschwemme und der leuchtenden Zehn-Millionen-Metropole Moskau, in der mehr Milliardäre leben als in New York. Jeder siebte Russe lebt unter dem Existenzminimum von 110 Euro im Monat. Und auch das Durchschnittsgehalt fällt mit 476 Euro bescheiden aus. Russlands Bevölkerung ist seit 1996 um sechs Millionen auf 142 Millionen Menschen geschrumpft, bei Männern liegt die Lebenserwartung inzwischen unter 60 Jahren.
Außerdem hat sich der Kreml durch den Krieg gegen Georgien ins politische Abseits manövriert. Nicaragua, Hisbollah und Hamas, das sind die kläglich aussehenden Verbündeten Russlands.
Georgien ist nun zu einem Schlachtfeld zwischen einem Möchtegern Weltmacht und der europäischen Werte geworden.
Europa muss eine ganz neue und wichtige Rolle annehmen, nicht nur um die Unabhängigkeit seiner zukünftigen Energieversorgung sicherzustellen, sondern auch um der gesamten Weltzivilisation zu demonstrieren, dass die europäischen Werte – die Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit -zwischen Völkern auch wirklich auf soliden Grundstein stehen und um seine Daseinsberechtigung als eine einzige und richtige, sowohl wirtschaftliche als auch ideologische Macht in Europa vor einer neoimperialistischen Ambitionen Moskaus tatkräftig zu verteidigen.


Badri Sarqua

Neustadt an der Weinstrasse


Den, 3. September 2008