Freitag, 14. November 2008

Eu-Russland Beziehungen

An den Eiern“ wollte Ministerpräsident Putin Georgiens Präsident Saakaschwili aufhängen. Mit dieser drastischen Metapher erläuterte Russlands starker Mann kürzlich seinem französischen Gesprächspartner Sarkozy seine Strategie im Kaukasuskrieg. Ob das auch die Wortwahl Russlands beim EU-Russlandgipfel in Nizza war? Unwahrscheinlich ist das nicht. Das Selbstvertrauen Moskaus ist nach dem Überfall auf Georgiens Kernland größer denn je. Schon unmittelbar nach der Wahl Barack Obamas hatte Präsident Medwedew mit russischen Waffensystemen gegen die geplante US-Raketenabwehr gedroht – er zwingt damit den künftigen US-Präsidenten, sich zumindest im Grundsatz für ein System auszusprechen, das der doch eigentlich für überflüssig hält. Ein paar Tage später läuft ein brandneues U-Boot aus, leider sterben dabei 20 Matrosen, doch die Angriffswaffe wird trotzdem fristgerecht an die Flotte übergeben. Drohgebärden, Amerikaobsession, Militarismus: Der Handwerkskoffer russischer Außenpolitik stammt gefühlt noch immer aus der Breschnew-Ära. Europa muss sich dessen bewusst sein, wenn es mit Russland wieder in den Dialog tritt. Dass es das tut – wie gestern in Nizza geschehen –, ist richtig, und auch gegen den Plan einer Sicherheitskonferenz ist nichts einzuwenden. Was in Brüssel, Paris oder eben in Nizza auf europäischer Seite aber fehlte, war eine Idee davon, wohin die Reise gehen soll. Worin liegt das Wertefundament einer europäisch-russischen Politik? Geht es nur um Öl und Gas? Wie steht es um Rechtsstaatlichkeit, um Demokratie? Oder darf man Russland „nicht reizen“, wie deutsche Außenpolitiker warnen? Das Lavieren um eine klare Haltung gegenüber Russland vor allem in Europas Führungsmacht Deutschland ist es, das eine konsistente EU-Politik gegenüber Moskau schwierig macht. Fatal ist und bleibt es, wenn ein deutscher Ex-Kanzler für eine russische Gasröhre wirbt – und gleichzeitig klare Bekenntnisse aus Berlin für das europäische Pipelineprojekt Nabucco ausbleiben. Fatal ist und bleibt es, wenn SPD-Politiker wie Fraktionschef Peter Struck von „Äquidistanz“ gegenüber den USA und Russland reden: als wäre Deutschland ein neutraler Staat zwischen zwei aggressiven Polen, nicht etwa Teil der westlichen Wertegemeinschaft. Deren Grundüberzeugungen werden übrigens von der Mehrheit der Ukrainer und Georgier geteilt – von Staaten, die Europa der russischen Einflusssphäre nicht einfach opfern darf. Die ideologische Entwaffnung des Kommunismus durch die Freiheitsbewegungen Osteuropas und in der DDR, das Aufbegehren gegen Fremdbestimmung und Diktatur – auch das ist der Wertekitt, der Europa zusammenhält und das Fundament für eine gemeinsame Politik abgibt. Warum nicht ebenfalls gegenüber Russland? Ein Land, das Partner dieses Europas sein will und gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit der eigenen diktatorischen Vergangenheit ablehnt, kann eine Sonderbehandlung nicht beanspruchen.

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